Eisenzeitliche Befestigungen und zwei Tage am „Meer“ – die zweite Woche der #prospekt2023_1-Kampagne in Rumänien
Ab in den Norden – Transfer in unser Kernarbeitsgebiet
Nach dem Abschluss der Arbeiten in Slava Rusa stand eine lange Fahrt an, die unseren Studierenden einen sehr intensiven Einblick in die Vielfalt der Landschaftsräume Ostrumäniens gab: Von der sumpfigen Schwarzmeerküste ging es durch das Dobrudscha-Hochland in die beinahe schon spektakulär relieflose Ebene der Walachei. Dem Lauf des Siret folgend führte der Weg dann am Rande der Subkarpaten hinauf auf das Moldawische Plateau mit seinen flach gewellten, baumlosen Hügeln bis nach Botoşani, im äußersten Nordosten Rumäniens.
Gräben, Gruben, Pfostenlöcher – Eisenzeitliche Fundplätze in der Geomagnetik
Ziel des Transfers war eine der beiden Kernregionen unseres Projektes zur Kupferzeit in Nordostrumänien. Dort sollen in den nächsten vier Wochen zahlreiche Cucuteni-Siedlungen geomagnetisch und per Feldbegehung untersucht werden. Um gerade den jüngeren Studierenden aber noch einen breiteren Überblick über Strukturen unterschiedlicher Zeitstellungen zu bieten, nutze unser Team die Gelegenheit, in Zusammenarbeit mit Dr. Alexandru Berzovan (Archäologisches Institut Iaşi) zuvor noch zwei eisenzeitliche Fundplätze zu prospektieren. Während die Befunde in Slava Rusa noch hauptsächlich aus relativ klar erkennbaren Baustrukturen aus Mauerzügen bestanden, lernten die Studierenden nun eine neue Schwierigkeitsstufe der Auswertung geomagnetischer Messbilder. Es galt, aus dem Muster der vielen kleinen, längst nicht immer klaren Anomalien von Pfosten und Gruben die Strukturen herauszulesen, die man aus den Grabungsplänen kennt. Und auch hier zeigte sich der Wert größerer Messflächen: Zwei parallele Gräbchen sind schwer zu deuten. Liegen mehrere dieser Paare regelhaft nebeneinander, könnte es sich aber vielleicht schon um die Fundamentgräben von Holz-Erde-Bauten handeln.
Ein ziemlich großes Holzhaus und ein verdammt massives Tor
Der erste besuchte Fundplatz war Stânceşti „Cetaea de la Bobeica“, eine über 45 Hektar grosse Höhenbefestigung aus dem 5.-3. Jh. v. Chr. (getische Epoche). Herausragendstes Merkmal ist das auf seiner ganzen Länge erhaltene, teilweise noch mehrere Meter hohe System aus Wall und Graben. Leider waren nur verhältnismäßig kleine Areale begehbar, aber neben zahlreichen kleineren Befunden konnte das Team trotzdem einen ganz besonderen „Fang“ machen: Einen 40x25m großen Holzbau, bei dem ein massiv fundamentierter, zentraler Teil aus mehreren Räumen von mindestens einem Umgang aus Holzpfosten umgeben ist. In Stancesti lohnt es sicherlich, nochmal vorbeizuschauen wenn die Felder geeggt und damit begehbar sind. Wir sind ja noch vier Wochen da…
Der zweite Fundplatz war Stăuceni-Victoria „Şanţul Caterinei“, ein fast 1km² großes Grabenwerk unbekannter Funktion mit mutmaßlich getischer bis dakischer (ca. 5.-1.Jh. v. Chr.) Zeitstellung. Bisher nur aus Luftbildern und einigen Oberflächenfunden bekannt, galt es hier, einen der beiden bekannten Eingänge geomagnetisch zu untersuchen. Ungeachtet der nur sehr grob bearbeiteten Messfläche, die nicht gerade gute Messbilder versprach, erfassten die Studierenden die gesamte Toranlage und konnten einen doppelten Grabenverlauf – vielleicht ja Innen- und Außenwand einer Holz-Erde-Mauer – feststellen. Dazu kam ein begleitender, schmaler (Palisaden-?) Graben und ein extra massiver Einbau im Tordurchgang.
Endlich Kupferzeit – am „moldawischen Meer“
Mit den Befunden von Eisen- und Römerzeit vertraut, war nun Zeit, die für uns hauptsächlich interessante Fundplatzgattung anzugehen: Kupferzeitliche Siedlungen. Diese weisen wieder andere Befundtypen auf: Massive Rotlehmkonzentrationen als Anzeiger verbrannter Häuser und typischerweise mehrfache, massive Umfassungsgräben um die Siedlungen. Der erste Cucuteni-Fundplatz dieser Kampagne, die in Zusammenarbeit mit dem Kreismuseum Botoşani durchgeführt wird, war Ripiceni „Gura Hârtopului“. Diese Cucuteni B-Siedlung liegt direkt am zweitgrößten Stausee Rumäniens, dem Lacul Stânca-Costeşti, der hier die Grenze von Rumänien zur Republik Moldau bildet. Die Erosionswirkung des Stausees hat bereits einen Teil des Fundplatzes zerstört, so dass es galt, seinen Erhaltungszustand zu prüfen und zu versuchen, die seine ehemalige Größe zu rekonstruieren. Nach zwei Tagen harter Arbeit stellte sich heraus, dass tatsächlich nur noch etwa ein Viertel der ehemals wohl über 5 Hektar großen Siedlung erhalten war. Dem Ausbildungserfolg tat dies jedoch keinen Abbruch: Ab nächster Woche geht nun ein voll ausgebildetes Team an die Erforschung der zahlreichen kupferzeitlichen Fundplätze im Tal des Sitna, rund um Stăuceni „Holm“, wo für diesen Sommer unsere große Lehrgrabung geplant ist.