Grabung tut Not – Beginn der Lehrgabung #Stauceni2023
Zwei Jahre verhinderte es die Pandemie, letztes Jahr zog ein sprunghafter bayerischer Bauer seine Genehmigung zurück. Die Ausbildungsdefizite sind daher enorm. Manche Kollegen sagen: „Ihr macht ja nur Prospektionen.“ Vereinzelt zweifelt man schon generell an der Eignung der Universitäten für diesen Job. Aber: Dieses Jahr ist es wieder soweit: Endlich können wir wieder eine große Lehrgrabung starten! Prof. Dr. D. Mischka und Dr. C. Mischka sind mit 9 Studierenden in Rumänien angekommen, um mal mehr zu machen als „nur“ Prospektion.
Megastructure – Großbau – Spezialbefund. Viele Namen für unser Zielobjekt.
Ziel unserer diesjährigen Kampagne ist ein außergewöhnlicher Befund der Cucuteni-Tripillya-Kultur auf dem Fundplatz Stauceni-Holm im Kreis Botosani. Die „nur“ Prospektionen der letzten Jahre enthüllten hier nicht nur eine mehrere Hektar große Siedlung mit Dutzenden von Hausbefunden, ein dreifaches Grabenwerk und Palisadenanlagen. Es zeigte sich auch ein mit ca. 32 x 13m außergewöhnlich großer Befund, der große Ähnlichkeit mit den aus den etwas jüngerern ukrainischen Riesensiedlungen bekannten „Megastructures“ – große Gebäude mit bislang noch unklarer Funktion – hat. Das Ziel unserer Kampagne ist daher zu klären, ob diese exzeptionellen Großbauten auch in den Cucuteni-Siedlungen in Rumänien auftreten, und ob wir etwas zur Frage nach deren Funktion beitragen können.
Fortführung einer bewährter Kooperation.
Ohne verlässliche Kooperationspartner sind solche Ausgrabungen natürlich undenkbar. Daher ist unser Institut froh, auch diese Kampagne wieder zusammen mit dem Historischen Museum des Kreises Botosani und Adela Kovacs als verantwortlicher Wissenschaftlerin als Gemeinschaftsprojekt durchführen zu können.
Mit Spaten, Schaufel und Kelle – Grabung von der Pike auf.
Ein Bagger wäre schön gewesen – er konnte die Grabungsfläche aber wegen durchweichter Feldwege nicht erreichen. Also machten sich unsere Studierenden daran, die beiden bereits im Vorfeld anhand der Prospektionsergebnisse geplanten Schnitte mit Spaten und Schaufel zu öffnen. Glücklicherweise für sie – nicht allerdings für die Befunderhaltung – beginnt die Fundschicht kaum einen halben Meter unter der Oberfläche. Trotzdem mussten einige Kubikmeter Erde zu einem schon recht beachtlichen Abraumhaufen aufgetürmt werden und es gab einige ordentliche Blasen an den Händen, bis die Rotlehmpackung des verbrannten Hausbefundes erreicht wurde.
Aus braun wird rot – die Oberfläche des Befundes wird freigelegt.
Nach der Schaufelarbeit wurde es filigraner – mit Kelle, Stuckateureisen und viel Geduld wurde die Oberfäche der Rotlehmpackung freipräpariert. Auch das Freipräparieren einer kleinteilig strukturierten Oberfläche will gelernt sein. Dabei müssen natürlich auch noch die anfallenden Einzelfunde mit dem Tachymeter eingemessen werden. Eine weitere Aufgabe für unser Studierenden. Gut dass neben den angehenden Drittsemester*innen auch noch einige erfahrenere Kommiliton*innen dabei sind, um ihr in den vergangenen Grabungen erlerntes Wissen weiter zu geben.
Im präparierten Planum zeigen sich schon die ersten Unterschiede in der Farbe, Härte und Struktur der Rotlehmstücke. Die im Negativ erhaltenen Abdrücke von Zweigen und Ästen der Wände aus Lehmflechtwerk, oder Spaltbohnlen und Rundhölzer des Fußbodens gaben Hinweise auf die Konstruktion des ehemaligen Großbaus. Mitte dieser Woche war dieser Arbeitsschritt abgeschlossen. Die neue, kleinteilig strukturierte Oberfläche wurde dann per Drohne im 3D-Modell erfasst, zu Aubildungszwecken aber auch noch parallel auf Papier per Hand koloriert.
Es folgt: Das Prähisto-Puzzle!
Im nächsten Arbeitsschritt werden die Rotlehfragmente aus dem Planum entnommen und Quadratmeterweise am Schnittrand wieder zusammengepuzzelt. Ob Wand, ob Boden oder Herdstelle – Jedes Bauelement hat eine individuelle Zusammensetzung. Die einzelnen Sektoren des Puzzels werden als 3D-Modell erfasst und – im Idealfall – lässt sich so im Computermodell der ganze Trümmerhaufen wieder zusammenfügen. Der Rekonstruktion des urprünglichen Gebäudes und des Prozesses seiner Zerstörung sollte dann nichts mehr im Wege stehen.