Bis auf den Fußboden – und noch viel tiefer! Die Grabungskampagne #Stauceni2023 in Rumänien steht vor dem Abschluss.
Der Boden ist weg – und enthüllt den Boden.
Die letzte Woche brachte unserem Ausgrabungsteam in Stăuceni beachtliche Fortschritte. Bis zu vier Teams gleichzeitig stellten in akribischer Kleinarbeit das „Rotlehmpuzzle“ fertig, d.h. sie nahmen die Reste des verbrannten Hauses ab. Und die Mühen wurden belohnt: In den beiden Schnitten war nun großflächig das Muster der Fußbodenkonstruktion „unseres“ Hauses zu erkennen. Die ursprünglichen Holzelemente sind zwar durch die Hitze des Hausbrandes schon seit 6500 Jahren vollständig vergangen, aber ihre Abdrücke wurden unter dem verbrannten Estrich konserviert. Auf diese Weise konnten die Studierenden schließlich das Muster aus zahlreichen, ca. 15cm durchmessenden Stämme per Drohne als 3D-Modell aufnehmen.
Ein Haus ohne Dach und Wand?
Was allerdings fehlt, sind zunächst die Überreste einer Wandkonstruktion. Viel zu wenig Rotlehm mit dem typischen Abdrücken kleiner Äste und Zweige lagen auf dem Fußboden. Ein Opfer der Erosion und der modernen Landwirtschaft? Und vom Dach ganz zu schweigen: Ein Gebäude dieser außergewöhnlichen Größe sollte doch Pfosten aufweisen, die das Dach zumindest in der Gebäudemitte stützen. Der Fußboden wies hierfür aber keine sichtbaren Aussparungen auf. Vielleicht also doch kein Haus, sondern eine offene „Versammlungsplattform“, wie es Kollegen für ähnliche Befunde in der Ukraine postulieren?
Ob Wand oder nicht – unsere Tür steht offen!
Die Ausgrabung in Stăuceni bot einen perfekten Anlass – und eine ebensolche Gelegenheit – auch der Öffentlichkeit einen Einblick in die Archäologie zu geben. Bei einem Tag der offenen Tür besuchten Dutzende von Besuchern, von Schulkindern bis zum Bürgermeister, die Grabung. Dort konnten sie nicht nur die laufenden Ausgrabungen besichtigen, sondern die Kollegen vom Historischen Museum Botoșani hatten auch eine Ausstellung mit den zahlreichen spektakulären Fundstücken der letzten Jahre aus Stăuceni „Holm“ vorbereitet. So konnten sie den Besuchern anschaulich einen Überblick über die Archäologie der ganzen Steinzeit vor Ort geben.
Befunde erfühlen
Unabhängig davon folgte nun der nächste Arbeitsschritt: Einen Spaten tief unter dem ehemaligen Bodenniveau sucht das Team nun nach allem, was auf Pfostenlöcher hinweisen könnte. Doch dies ist kein einfaches Unterfangen: Anders als beispielsweise auf den Böden in Bayern durchzieht ein dichtes Netz armdicker, bunter Tiergänge, teilweise auch noch gefüllt mit Fundmaterial das Sediment. Dies und die übrigen Prozesse der Bodenbildung hat alle Verfärbungen fast vollständig überprägt. Daher können die meisten Befunde nur ausgemacht werden, indem man vorsichtig mit der Kelle nach Veränderungen im Bodengefüge sucht, beispielsweise etwas mehr Rotlehmpartikel oder einem Wechsel im Tongehalt.
Doch zumindest eine Wand
Unübersehbar ist aber ein besonderer Befund: Ein Graben führt, fast einen halben Meter unter das Fußbodenniveau reichend, um das gesamte Gebäude herum. Seine Füllung mit massiven Rotlehmbrocken und großen Keramikscherben lässt vermuten, dass hier die Wand, wie auch immer sie beschaffen war, in einem Fundamentgraben eingekeilt worden war. Die Untersuchung dieses Befundes, sowie einiger durch Scherbenkonzentrationen sichtbarer Gruben außerhalb des Hauses wird uns für den Rest der Woche beschäftigen. Am Sonntag steht dann die – hoffentlich glückliche – Rückkehr nach Erlangen an.