Spätpleistozäne Besiedlung der italienischen Nordalpen
Italien
Prof. Dr. Marco Peresani (Ferrara, Italien), Dr. Matteo Romandini (Bologna, Italien), Dr. Rosella Duches (Trento, Italien), Priv.-Doz. Dr. habil. Andreas Pastoors, Dr. Isabell Schmidt (Köln), Dr. Manuel Vaquero (Tarragona, Spanien) & Prof. Dr. Gerd-Christian Weniger (Mettmann)
gefördert durch das Ministerium für Kulturgüter, kulturelle Aktivitäten und Tourismus (Italien) und die Gemeinde Clauzetto (Italien)
abgeschlossen
Projektbeschreibung
Von 2010 bis 2014 wurden in Zusammenarbeit mit den Universitäten Ferrara (Italien) und Tarragona (Spanien) sowie der Gemeinde Clauzetto Ausgrabungen in der Rio Secco Höhle durchgeführt. Die Fundstelle liegt in Friaul im Nordosten Italiens.
Dank einer Testgrabung aus dem Jahre 2002 war bekannt, dass sich in etwa 2 Meter Tiefe eine Fundschicht aus der Zeit des Neandertalers befindet. Die Erkenntnisse um das Verhalten des Neandertalers am Südrand der Alpen sind dünn. Überraschend kam eine weitere Fundschicht zu Tage. Diese liegt rund 50 cm oberhalb derjenigen aus der Zeit des Neandertalers und birgt Funde des Gravettien.
Aktuelle Untersuchungen konnten zeigen, dass Höhlenbär (Ursus spelaeus), Braunbär (Ursus arctos) und Neandertaler potenzielle Konkurrenten um Umweltressourcen (Unterkünfte und Nahrung) in Europa waren. Die Ausgrabungen in der Rio Secco-Höhle und der Fumane-Höhle im Nordosten Italiens liefern für diese Hypothese gute Argumente, wie zooarchäologische und taphonomische Analysen von Bärenknochenresten gezeigt haben.
Die Überreste aus beiden Höhlen stammen aus Schichten, die auf 49-42 ka calBP datiert werden und deuten auf enge Interaktionen zwischen Mensch und Bär hin. Die Daten beschränken sich nicht nur auf die Assoziation von lithischen Artefakten des Mittelpaläolithikums mit zahlreichen Bärenresten, sondern zeigen vielmehr eindeutig erhaltene Spuren menschlicher Modifikationen wie Schnitt- und Schlagspuren, die eine Rekonstruktion der wichtigsten Schritte der Fellgewinnung und des Schlachtprozesses ermöglichen. Beispiele für die Ausbeutung von Bären durch Neandertaler sind in Europa äußerst selten. In den beiden Fundstellen wurden wohl während oder kurz vor dem Ende des Winterschlafs Bären verschiedener Altersklassen verwertet. Dies deutet darauf hin, dass Bären eine wichtige Rolle in der Subsistenzstrategie der Neandertaler gespielt haben.
Literatur
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Peresani, Marco; Duches, Rosella & Pastoors, Andreas (2011). Evidence of gravettian frequentation around 30ky bp at the foot of the Friulian Dolomites. Gortania 33: 93–100.
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