Die Volp-Höhlen. Kontextualisierung paläolithischer Felsbilder
Frankreich
Priv.-Doz. Dr. habil. Andreas Pastoors & Prof. Dr. Thorsten Uthmeier
12-jähriges Langfristvorhaben gefördert durch die DFG (PA 2698/2-1 und UT 41/10-1, ab 2023). Die Volp-Höhlen. Untersuchungen an einer Schlüsselfundstelle zur Kontextualisierung paläolithischer Felsbilder.
Projektbeschreibung
Vier Jahre nach der Fertigstellung der Buchtrilogie über die Volp-Höhlen (Tuc d’Audoubert, Trois-Frères, Enlène) wurde 2023 ein Forschungsprojekt bewilligt, das aufbauend auf den Ergebnissen der Monografien in einem ganzheitlichen Ansatz die nächsten Schritte in der Analyse der Fundstellen gehen soll. Ziel ist es, die Nutzungskonzepte dieser drei Höhlen herauszuarbeiten. Mittels räumlicher Analysen der archäologischen Funde und Befunde in diesen vielschichtig strukturierten Bilderhöhlen sollen die dynamischen Prozesse, die zu ihrer Ablagerung führten, rekonstruiert werden. Darüber hinaus wird versucht, die Funktion/en der Volp-Höhlen im regionalen Subsistenzsystem der magdalénienzeitlichen Jäger- und Sammlergemeinschaften herauszuarbeiten. Das Forschungsprojekt wird das Potenzial dieser einzigartigen archäologischen Fundstellen weiter erschließen und in einer umfassenden Synthese darstellen. Es hat eine Laufzeit von 12 Jahren und wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
Das Forschungsprojekt stellt sich die Aufgabe, durch Raumanalysen menschlicher Hinterlassenschaften in vielschichtig strukturierten Bilderhöhlen der ausgehenden letzten Eiszeit den statischen archäologischen Funden ihre Dynamik zurückzugeben. Die Bilderhöhlen bieten sich hierfür nicht nur durch die Erhaltung von originalen Fußspuren im bis heute unberührten Höhlenboden, der verschiedene Aktivitätszonen miteinander verbindet, an, sondern auch, weil die zentrale Fragestellung nach dem sozialen Kontext ihrer Nutzung sowie ihrer Bedeutung für die Rekonstruktion von spät-eiszeitlichen Ritualen und Glaubensvorstellungen bis heute vollkommen unbeantwortet geblieben ist. Exemplarisch wird das vor mehr als 100 Jahren entdeckte System der Volp-Höhlen (Tuc d’Audoubert, Trois-Frères, Enlène) im Südwesten Frankreichs untersucht, das zu den bedeutendsten vielschichtig strukturierten Bilderhöhlen weltweit gehört und einmalige kulturelle Zeugnisse enthält, die etwa 17.000 Jahre (calBP) alt sind. Das auf 12 Jahre angesetzte Forschungsprojekt verfolgt im Wesentlichen zwei Ziele: (1) In den Volp-Höhlen die Identifikation von Aktivitätszonen, ihre räumliche Verortung sowie die Rekonstruktion der Verbindungen zwischen den einzelnen Aktivitätszonen (on-site) und (2) innerhalb des Magdaléniens der Pyrenäen die Einbindung der Volp-Höhlen als vielschichtig strukturierte Bilderhöhlen in das regionale Subsistenzsystem (off-site).
Es ist zu erwarten, dass durch die umfassenden Analysen der Volp-Höhlen hochauflösende Daten generiert werden, die Einblicke in ihre Nutzungskonzepte erlauben. Mit dem Ansatz der Einbindung der Volp-Höhlen in das regionale Subsistenzsystem verbunden ist die methodisch-theoretische Auseinandersetzung mit der hohen Diversität der Gesamtheit der Bilderhöhlen, woraus Impulse für die Debatte der Bedeutung von Bilderhöhlen zu erwarten sind.
Durchgeführt werden die einzelnen Arbeiten in enger Kooperation mit international renommierten Expert:innen und Wissenschaftler:innen französischer Institutionen sowie anderen Universitäten mit Schwerpunkt Ältere Urgeschichte/Paläoökologie und unter Einbindung des wissenschaftlichen Nachwuchses (Doktorand:innen mit Stelle im Projekt).
Darüber hinaus werden in dem Projekt im Umgang mit den Forschungsdaten die FAIR-Prinzipien durch F = Veröffentlichung in WissKI, A = persistente IDs (DOI), I = Ontologie und R = CC-Lizenz umgesetzt. Schließlich sollen über die Publikationen hinaus (bevorzugt im Open-Access Format) die Ergebnisse in regelmäßig durch das Projekt organisierte internationale Workshops und eine Wanderausstellung über Hintergründe und Ergebnisse der Zusammenarbeit mit indigenen Experten und den Ergebnissen des beantragten Langfristvorhabens einem breiten Publikum vermittelt werden.
Die Volp-Höhlen: Tuc d’Audoubert, Trois-Frères, Enlène
Enlène und Trois-Frères bilden zusammen mit Tuc-d’Audoubert die Volp-Höhlen, die sich in der Gemeinde Montesquieu-Avantès (Ariège), in den Ausläufern der Pyrenäen, befinden. Tuc d’Audoubert wurde 1912 von den drei Söhnen des Grafen Henri Bégouën entdeckt, Trois-Frères im Jahr 1914 und Enlène im Jahr 1925. Die Höhlen wurden nie für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht und stehen heute unter dem Schutz der Association Louis Bégouën, deren Ziel es ist, die in ihrem Besitz befindlichen Volp-Höhlen zu erhalten und zu erforschen.
Enlène
Grabungen in Enlène haben zahlreiche mobile Kunstobjekte aus Knochen und Rentiergeweih sowie mehrere hundert gravierte Sandsteinplatten hervorgebracht. Die Höhle ist 200 m lang und war in prähistorischer Zeit der einzige Zugang zu Trois-Frères. Im 19. Jahrhundert wurden willkürlich Erdarbeiten durchgeführt, bevor Louis Bégouën zwischen den beiden Weltkriegen in Enlène erste Ausgrabungen durchführte und zahlreiche bemerkenswerte Artefakte entdeckte. Zwischen 1976 und 1988 wurden dann unter der Leitung von Robert Bégouën, Jean Clottes, Jean-Pierre Giraud und François Rouzaud weitere, umfangreiche Ausgrabungen in der Höhle durchgeführt (Bégouën et al. 2019). Diese Arbeiten ergaben eine gravettienzeitliche Besiedlung, die sich auf den Eingangsbereich beschränkte, während im Magdalénen Menschen in jedem Winkel der Höhle präsent waren. Die Hauptnutzung, die mit der 14C-Methode auf 18.400-15.800 calBP datiert wurde, brachte eine Fülle von magdalénienzeitlicher Artefakte hervor, von denen einige zu den Klassikern des Genres gehören, wie z. B. das Speerschleuderende mit der Darstellung zweier mit sich ringender Steinböcke. Auf der anderen Seite gibt es an den Wänden – mit Ausnahme weniger roter Farbflecken – keine sichtbaren Felsbilder, was vermutlich kein Zufall ist.
Trois-Frères
Die Höhle Trois-Frères ist durch einen 65 m langen Gang mit Enlène verbunden und erstreckt sich in der Folge über 285 m von Osten nach Westen entlang der Achse des Kalksteinmassivs. Während hier nur wenige mobile Kunstobjekte gefunden wurden, sind Felsbilder in allen Räumen allgegenwärtig, bis hin zu der kleinen Aktivitätszone im Salle du Foyer am Ende der Höhle, wo zahlreiche archäologische Hinterlassenschaften auf dem Boden verstreut sind. Dieser Raum wurde zwischen 1985 und 1990 unter der Leitung von Robert Bégouën und Andreas Pastoors ausgegraben (Bégouën et al. 2014) und die Funde in situ belassen. In der Höhle gibt es Hunderte von gravierten bzw. farbig gezeichneten Darstellungen, sowohl figurativ als auch abstrakt, die oft in großen Gruppen zusammengefasst sind. Die zahlreichen Gravierungen im Sanctuaire beispielsweise befinden sich auf Augenhöhe und werden von einer als Sorcier bekannten Figur in 3 m Höhe dominiert. Die drei Haupttierarten – Steppenwisent, Pferd und Rentier – sind umgeben von Steinbock, Wildesel, Bär, Vögeln, Mammut, Nashorn, mehreren anthropomorphen Figuren, einem menschlichen Phallus und zahlreichen Typen abstrakter Zeichen. 14C-Daten in Trois-Frères bestätigen, dass die Höhle während des mittleren Magdaléniens, also vor 17.000 Jahren (calBP), vom Menschen besucht und genutzt worden war. In den Räumen tief im Inneren der Höhle sind neben den feinen Gravierungen im Salle du Foyer vor allem drei Eulen, schwarz gezeichnete und gravierte Steppenwisente, ein Wildesel und ein großes rotes claviformes Zeichen zu sehen.
Tuc d’Audoubert
Die 640 m lange Höhle Tuc d’Audoubert ist in drei Ebenen unterteilt: die untere Ebene, in der die Volp unterirdisch fließt, die mittlere Ebene, in der sich die Hinterlassenschaften einer magdalénienzeitlichen Besiedlung zusammen mit Felsbildern befinden, und die obere, 12 m höher gelegene Ebene, die sich über 450 m teilweise schwieriges Gelände erstreckt und zahlreiche Spuren von Höhlenbären auf dem Lehmboden sowie zeitlich jüngere Abdrücke menschlicher magdaliénzeitlicher Aktivitäten bewahrt hat (Bégouën et al. 2009). Auf der mittleren Ebene wird die Besiedlung mittels der 14C-Methode auf 16.500 Jahre (calBP) datiert. Um eine Feuerstelle herum, am Fuße von Felsbildern, ist der Boden mit den Überresten verschiedener Aktivitäten übersät und in den Ritzen der Höhlenwände sind Knochenfragmente und Steinartefakte verkeilt. In der oberen Ebene sind nur im ersten Teil des Weges Felsbilder vorhanden, in der zweiten Hälfte fehlen sie vollständig. Dort hinterließen die prähistorischen Menschen Finger- und Fußabdrücke, meist Fersen, auf dem damals noch feuchten Höhlenboden. Am Ende der Höhle, in der Mitte des letzten Raumes, taucht auf einem kleinen Vorsprung ein Paar aus Lehm modellierter Steppenwisente auf. Ihre Erhaltung ist ein bleibendes Wunder. Bei den 371 Darstellungen in Tuc d’Audoubert handelt es sich größtenteils um abstrakte Zeichen; der dominierende Typ ist das claviforme Zeichen mit 125 Stück. Unter den 103 Tierdarstellungen dominieren 41 Steppenwisente, 16 Pferde, sechs Hirsche und vier Steinböcke. Einige Arten gibt es nur einmal (Löwe, Bär, Schlange). Das Motiv der neun unwirklichen Kreaturen ist ein unvergleichliches Merkmal von Tuc d‘Audoubert. Auch zwei Anthropomorphe sind vertreten. Verstreut in der Höhle erscheinen fünf Steppenwisentpaare, die sich von den anderen Figuren abheben. Sie sind das Hauptthema der Felsbilder in Tuc d‘Audoubert und werden durch die außergewöhnliche Modellierung im letzten Raum der oberen Ebene noch einmal hervorgehoben.
Literatur
Bégouën, Henri; Breuil, Henri (1958). Les Cavernes du Volp. Trois-Frères – Tuc d’Audoubert à Montesquieu-Avantès (Ariège). Institut de Paléontologie Humaine. Paris (CNRS).
Bégouën, Robert; Clottes, Jean; Feruglio, Valérie; Pastoors, Andreas (2014). La caverne des Trois-Frères. Anthologie d’un exceptionnel sanctuaire préhistorique. Paris, Somogy.
Bégouën, Robert; Fritz, Carole; Tosello, Gilles; Clottes, Jean; Pastoors, Andreas; Faist, François (2009). Le sanctuaire secret des bisons. Il y a 14 000 ans dans la caverne du Tuc d’Audoubert … Paris, Somogy.
Bégouën, Robert; Pastoors, Andreas; Clottes, Jean (2019). La grotte d’Enlène. Immersion dans un habitat magdalénien. Paris, In Fine Éditions d’Art.