Bufalareccia – Erforschung einer etruskischen und römischen Siedlung in Latium (Italien)
Prof. Dr. Doris Mischka / PD Dr. Martin Trefný
Seit 2021, finanziert mit Eigenmitteln der UFG-FAU und der UJEP Ústí nad Labem
Kooperationspartner:
Univerzita Jan Evangelista Purkyně Ústí nad Labem (UJEP)
Projektübersicht:
Seit 2021 ist die Jüngere Urgeschichte Kooperationspartner bei diesem bereits seit 2017 laufenden Projekt der Univerzita Jan Evangelista Purkyně Ústí nad Labem. Dessen Hauptziel ist die Untersuchung des etruskischen bis römischen Fundplatzareals von Bufalareccia bei Allumiere (Latium, Italien). Durch intensive Feldbegehungen auf dem mehrere Hektar großen Gelände wurden mehrere, ausgedehnte Konzentrationen von Keramik, Ziegeln und auch Eisenschlacken lokalisiert. Das Fundmaterial erlaubt eine Einordnung der Fundstellen in die Zeit ab dem 9. Jh. v. Chr., durch die etruskische Epoche bis in die Römerzeit hinein.
Das Fundplatzareal gliedert sich in mehrere Zonen, von denen Sektor G der wichtigste ist. Auf einem Plateau konnten 2019 durch eine geomagnetische Prospektion slowakischer Kollegen ein Gebäudekomplex nachgewiesen werden. 2021 erfolgte dessen genauere Untersuchung mittels Georadar. Das Ergebnis: Der Gebäudegrundriss entspricht einer typischen römischen Villa, allerdings lassen die Mauerverläufe auch eine frühere Bebauung erkennen. Es erscheint wahrscheinlich, dass die römische Anlage auf einer etruskischen Siedlung aufbaut, Keramikfunde aus der Ausgrabung 2021 verstärken diesen Verdacht.
Direkt an die Villa anschließend befindet sich ein in den Fels geschlagener Brunnenschacht. Die ältesten Funde reichen momentan bis in hellenistisch / römisch republikanische Zeit, allerdings musste die Grabung bei einer Tiefe von 12m wegen einer geologischen Störung unterbrochen werden.
Was bisher geschah – Der Projekt-Blog:
2017-2018: Systematische Feldbegehungen des gesamten Areals, Gradiometerbegehung von Sektor G. Eine Zusammenfassung dieser Ergebnisse bietet dieser Artikel auf Academia.
Sommer 2021: Geophysikalische Prospektion und Sondagegrabung in Sektor G, Geophysikalische Prospektion der Sektoren B/C und C.
Sommer 2022: Fortführung der Ausgrabungen in Sektor G, 3D-vermessung am Altar von San Pietrino di Rota
Sommer 2021, Teil 1:
Radar, Römer, Etruskertempel – Bilanz der ersten Woche der Italien-Grabung
15.08.2021: Nach über einem Jahr Corona-Auszeit gibt es endlich wieder etwas von Feldarbeiten unseres Institutes zu berichten: In Kooperation mit der Universität von Jahn Evangelista Purkyne in Ústí nad Labem (Tschechische Republik, PD Dr. M. Trefný) und der Università degli Studi de Bologna arbeiten Prof. D. Mischka und Dr. C. Mischka sowie drei Studierende im Rahmen des neuesten Projektes der UFG-FAU an der Erforschung der Fundstelle „Bufalareccia“, ungefähr 50 km nordwestlich von Rom.
Tschechische Kollegen lokalisieren etruskisch/römischen Fundplatz
Im Kernland der etruskischen Kultur (900-100 v. Chr.) und des nachfolgenden römischen Reiches konnten die tschechischen Kollegen in den letzten Jahren einen Siedlungsplatz aus etruskischer und römischer Zeit lokalisieren. Ihre Feldbegehungen erbrachten große Mengen von Fundmaterial ab dem 4. Jh v. Chr. Eine vorangegangene Geomagnetik slowakischer Kollegen wies auf eine Bebauung des Plateaus von Bufalareccia hin, blieb aber wegen des vulkanischen Untergrundes doch recht indifferent. Vom etruskischen Tempel, analog zum nahegelegenen Tarquinia bis hin zu einer römischen Villa schien alles gleich wahrscheinlich.
Neu in unserem Methodenkanon: Georadar
Das Anfang des Jahres mit Hilfe des Unibundes der FAU gemeinsam mit dem Institut für Klassische Archäologie der FAU angeschaffte Georadar-System (GPR) erlaubt es – anders als die Geomagnetik – Mauern im Boden unabhängig von ihrem Baumaterial zu erkennen. Zudem liefert es Informationen über die Tiefe der Strukturen. Eine um den Faktor 10 geringere Begehungsgeschwindigkeit und deutlich höhere Anforderungen an die Begehungsfläche (kaum Bewuchs, kaum Steigungen etc.) muss dabei allerdings in Kauf genommen werden.
GPR bringt Struktur
Unsere Studierenden prospektierten mittlerweile einen Großteil des Verdachtsbereiches – bei Temperaturen über 38° im Schatten (den es hier weit und breit nicht gibt). Das Ergebnis: Ein in ca. 1,4m Tiefe gelegener, ungefähr 60×40 m großer Gebäudekomplex aus zahlreichen kleinen und großen Raumeinheiten ist im 3D-Blockbild des Georadars zu erkennen. Vom Grundriss her eindeutig eine römische Villa! Aber nicht nur das: Es sind auch Mauern zu erkennen, die nicht zur Ausrichtung der Villa passen wollen. Ein Gebäude aus der vorherigen etruskischen Zeit? Vielleicht der erhoffte Tempel? Eine Struktur aus nachrömischer Zeit? Hier ist die Geophysik an ihren Grenzen angekommen. Eine Ausgrabung muss jetzt weiterhelfen!
Ausgrabung soll Klarheit bringen
Eine Ausgrabung soll Klarheit über das Alter der Befunde bringen. Die genaue Lokalisierung der Befunde über die Geophysik erlaubt es, die Grabung vergleichsweise klein zu halten: Nur 6x6m misst der Schnitt, aber er liegt genau dort, wo sich die fraglichen Mauern überschneiden. Es wird sicher mehr als nur eine Kampagne dauern, bis die Befunde komplett freigelegt und analysiert sind, aber seit Mittwoch ist ein Anfang gemacht und die Aussichten sind vielversprechend.
Nächste Woche: Flächige Erforschung mit Magnetik und Drohne
Neben der Grabung soll ab Montag die flächige Erforschung des Umfeldes der Villa intensiviert werden. Wo sind die Wirtschaftsgebäude? Wo ist die etruskische Siedlung? Schließlich zeigen die Scherben, dass sie irgendwo sein muss! Daher soll die seit Freitag laufende Geomagnetik massiv ausgedehnt werden. Im Idealfall ergeben sich neue Verdachtsbereiche, die mittels GPR intensiver erforscht werden können. Zudem soll mit unserer Drohne ein zentimetergenaues Höhenmodell der Fundstelle und ihrer Umgebung erstellt werde. Vielleicht finden sich ja kleine, für das Auge unsichtbare Erhebungen, die auf Trümmer zerstörter Gebäude hinweisen? Es ist also genug zu tun für die noch verbleibenden zwei Wochen. Und parallel dazu ausgraben müssen wir ja auch noch!
Archäologie auch am Wochenende
Am Wochenende ruhen zwar die Feldarbeiten, aber die Ausbildung der Studierenden – und zugegebenermaßen auch einiger ihrer Dozenten – geht weiter. Ein Besuch der Ausgrabungen in der etruskischen Stadt von Tarquinia (Tarchna), insbesondere des Tempels „Ara della Regina“, sowie des berühmten etruskischen Gräberfeldes von Monterozzi mit seinen farbig ausgemalten Kammergräbern standen auf dem Programm. Auch das Museum in Tarquinia, in dem die Funde all dieser Fundplätze ausgestellt sind, wurde besucht, so dass wir alle nun wissen, was wir zu finden haben!
C. Mischka
Sommer 2021, Teil 2:
Mosaiken, Mauern und Magnetik – Die Italiengrabung geht in die letzte Woche
21.08.2021: Es ist viel geschehen in der letzten Woche unter der sengenden Sonne Latiums.
Das mittlerweile stark angewachsene Team aus italienischen, tschechischen, slowakischen, und deutschen Wissenschaftlern und Studierenden erweiterte nicht nur die Georadarflächen im Fundplatzareal, sondern führte auch Geomagnetikprospektionen weiterer Fundplätze im direkten Umfeld durch. Zudem wurde ein Geländemodell per Drohne erstellt und – natürlich am wichtigsten – die Grabung bis auf das erste Mauerniveau vorangetrieben.
Geophysikalische Untersuchung des Umlandes
Mittlerweile wurde die Georadarprospektion des Fundplatzareal abgeschlossen. Dafür wurde die ganze Fläche jeweils in Nord-Süd- und in Ost-West-Richtung begangen, so dass uns keine Mauer verborgen bleibt – doppelte Arbeit, aber mit signifikantem Informationsgewinn! Zusätzlich dazu wurden auch noch zwei Fundplätze im Umfeld der Siedlung mit geomagnetisch untersucht. Am Fundplatz Bufalareccia B/C, an einem Hang kaum 300m von der Villa entfernt konnte dabei ein ca. 12x30m großer, mehrräumiger Gebäudekomplex festgestellt werden – Ziegel und Keramik deuten ein römisches/hellenistisches Alter an. Ein Brunnenbefund und ein mutmaßlicher, unterirdischer Kanal – leider ohne nähere Untersuchung nicht datierbar – vervollständigen das Bild. Vielleicht handelt es sich um ein abgelegenes Wirtschaftsgebäude unserer großen Villa?
Weniger erfolgreich war die Geomagnetik auf dem Fundplatz Bufalareccia C, einer Hügelkuppe fast 50m oberhalb der Villa. Oberflächenfunde – Eisenschlacken und Ziegel -ließen einen Verarbeitungsplatz für Eisenerz aus den nahen Tolfa-Bergen erwarten. Das Magnetogramm zeigt aber leider nur noch eine disartikulierte Trümmerstreuung. Die moderne Landwirtschaft hat hier wohl ganze Arbeit geleistet.
Die Grabung bestätigt die Geophysik – und zeigt noch viel mehr!
Mit den zusätzlichen Kollegen nimmt auch die Ausgrabung massiv an Fahrt auf. Das Niveau der im GPR-Bild erfassten Mauern ist erreicht und sie liegen auf den Zentimeter da, wo sie liegen sollen – für unser noch am Anfang der Erfahrungssammlung stehendes GPR-Team eine ziemliche Erleichterung! Zusätzlich zu den Baubefunden kamen aber auch weitere Funde und Befunde zu Tage, die eine Geophysik niemals liefern kann. So zeigen beispielsweise zahlreiche würfelförmige Mosaiksteine unterschiedlicher Farben und Größen die gehobene Ausstattung der Villa. Zudem wurde neben der unvermeidlichen römischen Keramik auch typisch etruskische Keramik gefunden, die eine früheste Datierung der Anlage bis in das 7. Jh. v. Chr. erlauben – in eine Zeit als Rom noch ein weit entferntes, aufstrebendes Dorf war…
Gräber als Samstagsprogramm – Exkursion nach Cerveteri
Auch an diesem Wochenende stand wieder eine Exkursion auf dem Programm, um den Teilnehmern der Maßnahme die archäologischen „Highlights“ der Region zu zeigen. Dieses Mal ging es in die Nekropole von Cerveteri, dem etruskischen Caere. Hier erwartete die Exkursionsteilnehmer eine unüberschaubare Vielfalt etruskischer Grabbauten – nur auf den ersten Blick sehen die Tumuli – hügelförmige Grabbauten mit unterirdischen Grabkammern aus dem 6.- 3. Jh. v. Chr. – gleich aus. Der Besuch des Museums von Cerveteri, in dem die Funde aus diesen Gräbern ausgestellt sind rundete diese definitiv mehr als beeindruckende archäologische Erfahrung ab.
Das Restprogramm – für dieses Jahr
Für die nächste Woche steht noch einiges auf dem Programm: Die Grabung soll noch vorangetrieben werden, bevor sie bis – hoffentlich- bis nächstes Jahr abgedeckt wird. Der Magnetikbefund von Bufalareccia B/C muss noch mit dem GPR näher untersucht werden – genug zu tun bis zum Ende der Woche wenn die Rückreise nach Deutschland – und nach Tschechien, die Slowakei und Norditalien – ansteht. Es beibt dann zu hoffen, dass es gelingt, die Erfolge dieses Jahres in Fördergelder umzusetzen, denn nur so können wir unsere Arbeiten auch in den nächsten Jahren fortführen.
C. Mischka
Sommer 2022
Back in Bufalareccia! Erster Bericht von den diesjährigen Ausgrabungen in Bufalareccia (Latium/Italien)
Das fünfte Jahr der Kampagne der etruskisch-römischen Siedlung in Bufalareccia bei Tolfa hat am 8. August 2022 begonnen. Organisiert wird die Kampagne vom Institut für Ur- und Frühgeschichte der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, der Universität Jan Evangelista Purkyně in Ústí nad Labem (Aussig an der Elbe) und dem privaten Unternehmen Archeolab, z. s.
Die ersten Tage waren der Öffnung des wieder verschlossenen Grabungsschnittes gewidmet, in dem im vergangenen Jahr die Fundamente der großen Villa erforscht wurden. Die Forschung konzentrierte sich auch auf die Erweiterung des Grabungsschnittes an einigen Stellen. Einer dieser Bereiche war die große Vorratsgrube, das sogenannte Dolium, das von einer Struktur aus Gips und Tuffsteinen umgeben war. Diese Erweiterung hat sehr interessante Ergebnisse erbracht. Es wurde eine weitere Wand aus bearbeiteten rechteckigen Tuffsteinblöcken, die zu einer anderen Struktur gehört, entdeckt. Diese war ursprünglich nicht auf dem Radarbild aus dem Jahr 2021 zu sehen. Diese Struktur könnte die vermutete frühere Besiedlung des Fundplatzes bestätigen, die bereits in der Vergangenheit durch bestimmte Keramikscherben angedeutet wurde. Dennoch muss die Chronologie dieser Struktur noch durch andere Forschungen bestätigt werden.
Einen verschollenen Altar wiederentdeckt
Ein Teil der Forschungsgruppe hat seine Aufmerksamkeit auf den neu entdeckten Altar in der Stätte von San Pietrino di Rota gerichtet. Dieser Altar wurde bereits in den sechziger Jahren erforscht, aber seine Position wurde nicht korrekt vermessen. Da er sich in einem schwer zugänglichen Gelände in einem dichten Wald befindet, war man sich auch nach mehreren Jahren nicht sicher, wo genau sich der Altar befindet. Im Jahr 2020 wurde der Altar zufällig wiederentdeckt. Seit dieser Woche wurde der Altar mit Hilfe eines 3D-Scanners aufgenommen.
Da er nun in mehrere Teile zerbrochen ist, können die 3D-Modelle später mit der Zusammensetzung aller Teile des Altars Hilfestellung leisten. Die trassologische Untersuchungen sollen auch die Details der Oberflächenbearbeitung aufdecken, um die verwendeten Steinmetztechniken zu präzisieren. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen könnten auch zur chronologischen Einordnung des Altars beitragen.
Martin Trefný und Katja Hageman