Geschichte der Sammlung
Geschichte
Die Ur- und Frühgeschichtliche Sammlung ist eine Einrichtung der Gesamtuniversität, die dem Institut für Ur- und Frühgeschichte zugeordnet ist. Sie umfaßt Funde aus der ganzen Welt von den Anfängen der Menschheit bis in die Frühe Neuzeit. Durch Ankäufe, Schenkungen und Ausgrabungen des Instituts wird der Bestand der Sammlung stetig erweitert.
Die Gründung
Die Sammlung wurde auf Betreiben des Erlanger Anatomen Prof. Dr. Leo Gerlach (1851-1918) und des Erlanger Pfarrers Dr. Rudolf Herold (1879-1917) im Jahre 1914 als „Anthropologisch-Prähistorische Sammlung“ gegründet und zunächst den Direktoren des Anatomischen Instituts (Leo Gerlach) und des Geographischen Instituts (Wilhelm Volz) zur Verwaltung unterstellt. In ihr wurden verschiedene kleinere Instituts- und Privatsammlungen vereint.
Prof. Gerlach stiftete „seiner“ Universität beträchtliche Geldmittel zum Ankauf von Funden und seine sehr umfangreiche und wertvolle Privatsammlung. Damit war die Sammlung schon von Anfang an eine der größten prähistorischen Universitäts-Sammlungen in Deutschland. Die Ausstellungsräume befanden sich lange Zeit im großen Gebäude der Anatomie in der Krankenhausstraße.
Zeit des Nationalsozialismus und Nachkriegszeit
Ab 1933 bekam die Sammlung mit Prof. Dr. Rudolf Paulsen (1893-1975) einen eigenen Kustos, der sich, unter Ausnutzung des Zeitgeistes, um die Trennung der prähistorischen von der anatomischen Abteilung bemühte. 1938 gelang ihm die Einrichtung eines eigenen „Seminars“, 1941 eines „Instituts für Ur- und Frühgeschichte“, dem die Sammlung zugewiesen wurde. Die Ausstellungsräume blieben bis 1957 weiterhin in der Anatomie.
Umzug in die Kochstrasse
Nach der Fertigstellung des neuen Philosophischen Seminargebäudes zogen das Institut für Ur- und Frühgeschichte und die Sammlung 1957 in die Kochstraße um. Damit war auch die räumliche Trennung von der Anatomie endgültig vollzogen. Unter der Leitung von Prof. Dr. Lothar F. Zotz (1899-1967) und später von Prof. Dr. Gisela Freund (1920-2023) wurden die Räume der Ur- und Frühgeschichtlichen Sammlung im Kellergeschoss des Philosophischen Seminargebäudes mit Vitrinen ausgestattet. Solange das Gebäude auch am Samstag für den Publikumsverkehr geöffnet war, konnten die reichen Bestände an bestimmten Tagen besichtigt werden. In jener Zeit suchten zahlreiche Kollegen und Laien aus ganz Franken das Institut und die Sammlung auf, um Rat und Informationen für ihre Arbeiten zu erbitten.
Die Jahre von 1973 bis Heute
Von 1973 bis 2008 betreute Dr. Christian Züchner (*1943) als Kustos die Sammlung. Aufgrund von Personaleinsparungen hat die Sammlung seitdem keinen eigenen Kustos mehr. Anfragen zur Besichtigung oder wissenschaftlichen Bearbeitung der Funde, die Regelung von Leihgaben für Ausstellungen und die Inventarisierung von neuen Funden werden zur Zeit von den Mitarbeitern/-innen des Instituts für Ur- und Frühgeschichte, unter Beteiligung einer wissenschaftlichen Hilfskraft, geleistet. Die Sammlung dient heute vor allem der Lehre. Öffentliche Führungen finden mehrmals im Jahr statt, wie beim Internationalen Museumstag (Mai), innerhalb des Collegium Alexandrinum (zweimal jährlich) oder zur „Langen Nacht der Wissenschaften“. Außerdem werden für interessierte Gruppen (ab 10 Personen) gern Führungen angeboten; nach vorheriger Anmeldung bei den wissenschaftlichen Mitarbeitern des Instituts.
Der Bestand
Aus Verbundenheit mit Erlangen, stiftete so mancher Freund wertvolle Funde und Fundkomplexe. Denn in den Jahrzehnten nach 1945 gab es in der Region nur wenige vergleichbar bedeutende prähistorische Sammlungen. Das nächste Amt für Denkmalpflege befand sich in Würzburg und war für Unter- und Oberfranken zuständig. Mit dem Ausbau der Museen und der Denkmalpflege in Bayern verlor Erlangen nach und nach seine Bedeutung als Anlaufpunkt aller in der Vorgeschichtsforschung tätigen Personen. Dennoch werden auch heute noch viele Anfragen, besonders zu altsteinzeitlichen Funden, an das hiesige Institut und die Sammlung gerichtet.
Die Sammlung kann in die folgenden 4 Teilbestände unterteilt werden:
Gegenstände aus allen Teilen der Erde, die in den ersten Jahren nach der Gründung durch Leo Gerlach im Kunsthandel erworben wurden. Bemerkenswert sind besonders paläolithische Funde aus La Micoque, Laugerie-Haute, Longueroche u. a. Orten der Dordogne, neolithische Funde aus Mittel- und Nordeuropa, eine große Kollektion von Keramiken und Bronzen aus süddeutschen und Schweizer Seeufersiedlungen, römische Funde aus der Gegend um Mainz und Wiesbaden sowie Keramik und Figuralplastik aus Ägypten, Mexiko und Peru.
Die sehr umfangreiche Privatsammlung des Medizinalrates Dr. Gustav Roßbach aus Lichtenfels, die 1938 durch Rudolf Paulsen mit Spendenmitteln erworben werden konnte. Die Funde stammen von zahlreichen Oberflächenfundplätzen in der weiteren Umgebung von Lichtenfels und Staffelstein. Bemerkenswert sind vor allem die mittelpaläolithischen Artefakte aus Kösten und die zahlreichen neolithischen bis eisenzeitlichen Funde (Steingeräte, Keramik, Bronze- und Eisengeräte) vom Staffelberg und seiner Umgebung.
Mittel- und jungpaläolithische Fundkomplexe, die bei den Ausgrabungen des Instituts im Altmühltal zwischen 1959 und 1981 geborgen wurden. An erster Stelle muß hier das Material aus der Sesselfelsgrotte bei Neuessing, Ldkr. Kelheim genannt werden, eine der bedeutendsten paläolithischen Fundstellen Mitteleuropas; weiterhin aber auch aus der Oberneder-Höhle, dem Abri I im Dorf in Neuessing, der Unteren Klause und dem Abri im Pfaffenholz. Für alle diese Funde gibt es umfangreiche Dokumentationen, die eine wissenschaftliche Auswertung erlauben.
Größere und kleinere Fundbestände, die der Sammlung geschenkt oder vererbt wurden. Besonders wichtig sind darunter die mittelpaläolithischen Artefakte, die Alexander Oberneder in der nach ihm benannten Oberneder-Höhle bei Kelheim (Nby.) geborgen hat, die Sammlung von Dr. Wilhelm Frantzen aus der Umgebung von Kronach, Ofr. mit Steingeräten aus verschiedenen urgeschichtlichen Epochen, darunter zahlreiche, vielleicht sehr alte Geröllgeräte, die Funde aus der bandkeramischen Siedlung von Eschlipp, Ldkr. Forchheim, Ofr., die Jörg Hähnel aus Bamberg seit vielen Jahren zusammenträgt und eine umfangreiche Kollektion altanatolischer Bronzen, die Prof. Ulrich Zwicker der Sammlung gestiftet hat.
Insgesamt umfasst die Sammlung heute rund 200.000 Objekte aus mehr als 800 Fundorten aus Europa, Asien, Afrika, Amerika, Australien und Ozeanien.
Um einen Eindruck von der Sammlung und ihren Beständen zu bekommen, schauen Sie sich doch einmal ausgewählte Fundstücke auf dieser Internetseite an oder besuchen Sie die Sammlung einfach; gerne bieten wir auch Führungen an (um Anmeldung wird gebeten).
Literatur zur Sammlungsgeschichte:
Geer, H. (1971): Unveröffentlichte Fundkomplexe aus den Grabungen Otto Hausers in der Ur- und Frühgeschichtlichen Sammlung der Universität Erlangen-Nürnberg. Ein Beitrag zur Erforschung klassischer Stationen des Paläolithikums in Südwestfrankreich. Dissertation Erlangen (Dissertationsdruck).
Züchner, Chr. (1993): Die Ur- und Frühgeschichtliche Sammlung der Friedrich-Alexander-Universität. In: Die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg 1743 – 1993. Geschichte einer deutschen Hochschule: Ausstellung im Stadtmuseum Erlangen, 24.10.1993 – 27.2.1994. Veröffentlichungen des Stadtmuseums Erlangen 43, 625-632.
Reisch, L. (2000): Von den „Prähistorika“ der Anatomischen Sammlung zum Institut für Ur- und Frühgeschichte. Historische Forschung zwischen Geistes- und Naturwissenschaften. In: Neuhaus, H. (Hrsg.): Geschichtswissenschaft in Erlangen. Erlanger Studien zur Geschichte 6, Erlangen-Jena 2000, 171-196.