Jurahornstein der südöstlichen Frankenalb (3)
Sesselfelsgrotte, Schicht O
Grabung Freund 1971
Transversalschaber vom Typ Quina
Typologische Zugehörigkeit: Charentien-Moustérien
Breite: 5.6 cm.
Die Grundform für diese innerhalb der mittelpaläolithischen Typologie klassische Werkzeugform stammt von einer Hornsteinknolle größeren Durchmessers. Nach der Cortexfläche zu urteilen, wurde sie einer Residuallagerstätte entnommen. Durch die Lösungsverwitterung sind die Skulpturmerkmale von zahlreichen kleinen Fossilien herauspräpariert worden. Auch im Inneren der Knolle sind die Überreste von Fossilien überall wiederzufinden. Der Sedimentkörper, in dem diese Knolle entstanden ist, muß von Fossilüberresten vollständig durchsetzt gewesen sein.
Derartige Situationen können z.B. an einem Strandabschnitt entstehen, an dem gleichartig große und gleichartig schwere Schalenreste zusammengeschwemmt werden. In der paläontologischen Literatur finden sich hierfür die Begriffe „Fossil-Detritus“ oder „Schill“. Als paläotopographische Situation wäre z.B. das Plateau eines an die Wasseroberfläche gewachsenen Korallen-Riffes vorstellbar.
An den Spaltflächen ist zu erkennen, daß die hellgraue Färbung und der kalkige Gesteinscharakter, wie er an der Außenhaut der Knolle zu sehen ist, auf eine Dicke von 2 – 3 mm gegen das Innere fortschreitet. Diese Zone ist durch eine von außen angreifende Verwitterung erzeugt worden, wobei den randlich gelegenen Partien die Kieselsäure wieder entzogen wurde. So findet der Begriff „Verwitterungsrinde“ – oft fälschlich synonym mit dem Begriff „Cortex“ verwendet – diesmal seine berechtigte Anwendung. Die im Inneren auftretenden schalig angelegten Verfärbungen (auf der Ventralfläche besonders deutlich sichtbar) dürfen ebenfalls auf diese Verwitterung zurückgeführt werden.
Die Form des Abschlages kann als typisches Ergebnis der sogen. Quina-Technik bezeichnet werden, die vor kurzem als eine Methode zur Verarbeitung von rundlichen Rohstücken (z.B. Hornsteinknollen) beschrieben wurde, mit der, ohne daß das Stadium der Kernpräparation vorgeschaltet werden müßte, vom Beginn der Bearbeitung an Abschläge mit hohem Gebrauchswert gewonnen werden können. Charakteristisch sind Abschläge mit dickem Querschnitt, deren Dorsalfläche aus wenigen Flächen zusammengesetzt ist; sehr häufig ist eine dieser Flächen mit Rinde bedeckt.
Typologisch kann das Stück nach der quer zur Schlagachse liegenden Schaberkante als Transversalschaber angesprochen werden. Bemerkenswert ist die Ausführung dieser Schaberkante. Sie ist sanft bogenförmig geschwungen und aus mehreren nacheinander geführten Retusche-Generationen zusammengesetzt, wobei die Front der frühesten Generation sehr weit auf die Dorsalfläche ausgreift. Diese Art der Retusche-Führung wird ebenfalls nach La Quina, einer mittelpaläolithischen Fundstelle in der Charente (W-Frankreich) benannt; hier wurden diese Retuschen besonders zahlreich und in besonders typischer Ausprägung gefunden.
Erst seit kurzem ist man dabei zu verstehen, warum Quina-Retuschen besonders häufig auf Quina-Abschlägen zu finden sind: Retuschen haben zunächst die Aufgabe, die vom Gebrauch verstumpften oder ausgesplitterten Kanten zu regularisieren oder nachzuschärfen. Die Kanten von Abschlägen mit dickem Querschnitt sind nun dem Verstumpfen besonders schnell ausgesetzt.
Indem es die zwei kennzeichnenden Merkmale des Quina-Moustérien vereinigt, kann das gezeigte Stück als ein besonders typischer Vertreter dieser vor allem in W-Europa verbreiteten Moustérien-Fazies gelten.
Literatur:
Turcq, A.: Approche technologique et économique du faciès Moustérien de type Quina: étude préliminaire. Bulletin de la Société Préhistorique Francaise 86, 1989, 244 – 256.
Weißmüller, W.: Die Silexartefakte der Unteren Schichten der Sesselfelsgrotte. Ein Beitrag zum Problem des Moustérien. Quartär-Bibliothek 5. Bonn, 1995. (Vgl. Kat.Nr. 527).