Kreidehornstein der südöstlichen Frankenalb (1)
Sesselfelsgrotte, Schichten M3 – M1
Grabung Freund 1975 – 76
Grundformabbau und Modifikation
Typologische Zugehörigkeit: Moustérien mit zahlreichen Schabern
Höhe des linken Abschlags: 5.5 cm
Zu sehen sind vier Artefakte, die von der Zerlegung einer Kreidehornstein-Knolle zeugen; ihr Durchmesser mag ehemals ca. 12 cm betragen haben. Die an dem linken Abschlag erhaltene bräunlich-graue Rinde ist leicht verrundet und wir dürfen annehmen, daß die Knolle einer sekundären Lagerstätte entnommen wurde. Der Übergang von der Rindenzone gegen das Innere des Gesteins ist unscharf begrenzt und wird von einer ca. 2 – 3 mm mächtigen heller-grauen Zone begeitet. Erst daran anschließend ist die dunkel-olivgrüne Farbe ausgebildet, die den überwiegenden Farbcharakter des Gesteins ausmacht. Aber auch hier sind leichte Farbschwankungen (gegen ein helleres Gelblich-Grün) auszumachen, die – wenn man das Original vor sich hat – eine schalige Anordnung erkennen lassen.
Die Herkunft der Knolle darf man in der lehmigen Albüberdeckung suchen, in die sie nach dem Zersatz des Muttergesteins gelangt ist. Hier ist wohl auch erst die grünliche Farbe entstanden. Alle Stücke sind ausgezeichnet erhalten und zeigen keine Spuren einer Patina, die nach der Verarbeitung den Charakter des Gesteins verändert hätte.
Drei der vier Stücke können aneinandergesetzt werden.
Die erste Zusammensetzung ergibt sich zwischen dem Cortex-Abschlag und dem rechts davon abgebildeten Abschlag (drittes Stück), der an seiner rechten Kante und im Spitzenbereich stark retuschiert ist. Dieser Abschlag hat einen links vom Schlagflächenrest ausgehenden bogenförmigen Rücken (zu sehen an der Zeichnung des Schlagflächenrestes), der der Ventralfläche des Cortex-Abschlages angepaßt werden kann und zwar so, daß sowohl die Schlagachsen beider Abschläge wie auch deren Ventralflächen im rechten Winkel zueinander liegen. Dieses Vorgehen belegt einen Wechsel der Abbauflächen, wie er in einem Levallois-Verfahren, bei dem nur eine Abbaufläche genutzt wird, nicht vorkommt. Die besprochenen Abschläge belegen vielmehr ein Vorgehen, das der Herstellung von Zweiseitern ähnlich ist, indem ein Gesteinsstück mit einer Kante umrundet wird und von dieser Kante in wechselnder Richtung die Abschläge abgetrennt werden (sogen. Diskustechnik).
Die zweite Anpassung ergibt sich zwischen dem Rückenabschlag und dem kleinen Abspliß (zweites Stück): er wurde ausgehend von dem bogenförmigen Rücken gegen die Ventralfläche des Abschlags abgetrennt. Diesen Vorgang bezeichnet man als ´Verdünnung´. Das vierte Artefakt schließlich – ein zu einem Bohrer modifizierter Abschlag – kann nicht angepaßt werden; aufgrund der Gesteinscharakteristik gehört er aber ohne Zweifel zu diesem kleinen Ensemble. Nachgewiesen sind damit der Eintrag eines bereits vorgeformten Kernes, die Abtrennung dreier Abschläge davon und schließlich (anläßlich des Gebrauchs) deren Modifikation zu Geräten. Der Kern selbst fehlt, wie dies häufig der Fall ist – wir müssen annehmen, daß er zum nächsten Lagerplatz mitgenommen wurde.
Literatur:
Weißmüller, W.: Die Silexartefakte der Unteren Schichten der Sesselfelsgrotte. Ein Beitrag zum Problem des Moustérien. Quartär-Bibliothek 5. Bonn, 1995. (Vgl.: Nr. 164).